Vegane Ernährung kann laut dem Internet jede Menge: Tierleid stoppen, Krankheiten heilen, beim Abnehmen helfen, den Körper entgiften, die Umwelt schützen und den Planeten retten. Und ganz nebenbei ist die vegane Ernährung auch noch DIE gesündeste Ernährungsweise… Stimmt das denn wirklich? Wenn ihr eins aus meinem Ernährungsblog gelernt habt, dann ist das eine gesunde Skepsis gegenüber extremen oder absoluten Ernährungs- und Gesundheitsaussagen. Also betrachten wir heute einmal die Fakten.
Vor zehn Jahren bin ich vegan geworden. Seit 2012 höre und lese ich jeden erdenklichen Gesundheitsfakt über vegane Ernährung, manche davon mehr und manche weniger fundiert. Das Problem mit dem Internet ist, dass sich Fake News rasend schnell verbreiten und dann nur sehr schwer wieder verschwinden. Genau das ist in der Veganen Community passiert. Von der ethisch motivierten Lebenseinstellung ist der Veganismus in einigen Gruppierungen zu einer ideologischen Fake-News-Ernährungsweise geworden.
Kann vegan überhaupt gesund sein?
Ja. Eine vegane Ernährungsweise hat das Potenzial sehr gesund zu sein. Ebenso wie andere Ernährungsweisen auch. Vegane Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten glänzen durch ihre gesundheitsförderlichen Ballaststoffe, Makro- und Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Gleichzeitig werden eher unerwünschte Inhaltsstoffe wie gesättigte Fettsäuren und Cholesterol reduziert. Die Voraussetzung dafür ist eine gut geplante Ernährung, die all die genannten Lebensmittelgruppen in ausreichenden Mengen abdeckt. [1]
Wie in jeder Ernährungsweise gibt es aber auch potenziell kritische Nährstoffe in der veganen Ernährung. So bietet sie als restriktive, also einschränkende Ernährungsweise insgesamt ein höheres Risiko für Nährstoffmängel als eine mischköstliche Ernährung. Wer viel weglässt, muss auch viel ersetzen. [1]
Nichtsdestotrotz kann eine gut geplante vegane Ernährung, die alle kritischen Nährstoffe abdeckt, ebenso gesundheitsförderlich wie eine ausgewogene mischköstliche Ernährung sein. Oder sogar gesünder als eine einseitige und fleischlastige Ernährung. So geht eine pflanzenbetonte Ernährung gegenüber der üblichen deutschen fleischlastigen Ernährung mit einem risikosenkenden Effekt für ernährungsbedingte Krankheiten einher. [2]
Weltweit empfehlen Fachgesellschaften übereinstimmend eine pflanzenbetonte oder überwiegend pflanzliche Ernährungsweise. So auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die eine pflanzenbetonte vollwertige Ernährung mit tierischen Lebensmitteln als wichtige Ergänzung empfiehlt. [2;3]
Insgesamt zeigt die Evidenzlage, dass ein vollständiger Verzicht auf tierische Produkte nicht nötig ist, um gesund zu leben. Ebenso zeigt sich kein Unterschied in der Sterblichkeit von Mischköstler*innen und Veganer*innen. Die Narrative, tierische Lebensmittel seien an sich gesundheitlich abträglich, stammt aus der veganen Community, lässt sich aber wissenschaftlich nicht abbilden. Ein Steak pro Monat, oder ein Ei pro Woche in Kombination mit einer pflanzenbasierten Ernährung machen gesundheitlich gesehen keinen Unterschied. Bedenke: Gesundheit ist nicht abhängig von einem einzigen Lebensmittel. Gesundheit ist viel eher ein komplexer Zustand des Wohlbefindens, an dem viele Faktoren beteiligt sind.
Gerade das Gesundheitsargument bringt viele Interessierte zum Veganismus. Nicht selten wird die vegane Ernährung mit anderen restriktiven Diäten wie Roh-Vegan oder diversen Fastenarten kombiniert. Die Hoffnung dahinter: Dem Körper etwas Gutes zu tun, sich von Krankheiten zu befreien, sich fitter zu fühlen oder Körperfett zu verlieren. Stark restriktive Ernährungsweisen können aber niemals langfristig durchgehalten werden. Es verwundert nicht, dass in Zuge dessen zahlreiche Ex-Veganer*innen entstehen, die über Symptome wie Schwäche, Müdigkeit und ständigem Hunger klagen.
Der Veganismus ist keine Diät zum Gesundwerden, zum Abnehmen, zum Detoxen oder für schönere Haut und Haare. Der Veganismus ist in erster Linie ein Gerechtigkeitsanliegen gegenüber Tieren. Faktisch gesehen müssen wir für unsere Gesundheit nicht komplett vegan werden.
#VeganfürdieTiere
Quellen:
[1] Richter, M./Breidenassel, C. (2016): Vegane Ernährung – gesundheitliche Vorteile und Risiken. Public Health Forum, vol. 24, no. 3, S. 186-188. https://doi.org/10.1515/pubhef-2016-2077
[2] DGE (2016): Vegane Ernährung. Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.
[3] DGE (2020): Ergänzung der Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. zur veganen Ernährung hinsichtlich Bevölkerungsgruppen mit besonderem Anspruch an die Nährstoffversorgung
Nina Schneider
Ernährungswissenschaftlerin (B.Sc.), Scienefluencerin, freie Wissenschaftsjournalistin und Gründerin von Pflanzlich Gesund - Evidenzbasiertes Ernährungswissen.