Wisst ihr noch, wie wir alle vor einigen Jahren total auf Agavendicksaft abgefahren sind? Nach einiger Zeit hat jemand endlich ein Machtwort ausgesprochen und uns auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Agavendicksaft ist sogar noch kritischer zu betrachten, als Haushaltszucker (isolierte Fruktose!) Momentan scheint Kokosblütenzucker die Zuckeralternative der Wahl. Doch ist der wirklich so viel besser als unser „verhasster“ weißer Zucker? Und wie sieht es mit den anderen Zuckeralternativen aus? Betrachten wir erstmal die Grundlagen:
🍫Wie wird Zucker hergestellt? Aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben wird ein Sirup hergestellt, der kristallisiert und mehrmals raffiniert wird, bis schlussendlich unser bekannter weißer Zucker dabei herauskommt. Bei der Raffination wird die braune Melasse entfernt. Das ist übrigens der Teil der Pflanze, der die ganzen Nährstoffe enthält! (Fun Fact: Um braunen Zucker zu erhalten, wird dem weißen Zucker am Ende einfach noch etwas brauner Zuckersirup hinzugefügt. So sieht er ein bisschen gesünder aus, ist es aber nicht. Den Trick benutzen u.a. auch Brothersteller.)
🍭Vollrohrzucker wird nicht raffiniert, das bedeutet, dass hier die nährstoffreiche Melasse erhalten bleibt. Ebenso ist das der Fall bei Kokosblütenzucker. Dieser wird aus den Blüten der Kokospalme extrahiert. Dann wird daraus dicker Sirup hergestellt, der schließlich kristallisiert wird. Hier bleiben in etwa gleich viel Nährstoffe erhalten, wie das bei Vollrohrzucker der Fall ist. Beide Zuckeralternativen schmecken gewöhnungsbedürftig. Durch den hohen Anteil an Melasse schmeckt vor allem der Vollrohrzucker stark malzig.
🍯Sirup aus Reis, Agaven, Ahorn und Datteln werden ähnlich hergestellt. Agavendicksaft enthält vergleichsweise mehr Fruktose als andere Zuckeralternativen und hat deswegen auch einen niedrigeren Glykämischen Index. Er lässt also den Blutzuckerspiegel weniger stark ansteigen. Warum isolierte Fruktose aber nicht so toll ist, schildere ich in meinem Fruktose-Post. Bei Reissirup ist interessant, dass der isolierte Fruktosegehalt verschwindend gering ist, denn er besteht hauptsächlich aus Maltose und Glukose.
Dattelzucker spielt etwa in der selben Liga wie Ahornsirup, was den Nährstoffgehalt und den Glykämischen Index angeht. Bis auf Dattelzucker sind alle Zuckervarianten mittel bis stark verarbeitet worden und haben wenig bis geringe Nährstoffgehalte. Bei Kokosblütenzucker und Vollrohrzucker stechen die etwas höheren Mineralstoffgehalte heraus. Aber mal ehrlich: 4 mg Eisen auf 100 g Kokosblütenzucker? Wir müssten fast 1 kg Kokosblütenzucker essen, damit der tägliche Eisenbedarf gedeckt ist. Im Schnitt rechne ich mit 30 g Kokosblütenzucker täglich, wenn man viel Süßes isst: Das sind etwas mehr als 1 mg Eisen. Meiner Meinung nach ist das zu vernachlässigen. Warum wird Kokosblütenzucker eigentlich so gehypet? Das liegt daran, dass die Hersteller bei ihrer Studie zum Glykämischen Index des Kokosblütenzuckers Blödsinn veranstaltet haben: Der beträgt nämlich nicht die hochgelobten 35, sonder 54 (also gar nicht so weit entfernt vom weißen Zucker), wie die University of Sydney dann klarstellen konnte.
Dsttelzucker kommt noch am besten weg- Er ist am wenigsten stark verarbeitet, hat einen akzeptablen GI, aber auch hier hat der Nährstoffgehalt gelitten. bessere Alternative zu Dattelsirup oder Dattelzucker: Dattelpaste selbst herstellen, indem man eingeweichte Datteln und eien Spritzer Zitrone mit Wasser püriert.
Fazit: Zucker und Zuckeralternativen sind hochkalorische und mittel bis stark verarbeitete Produkte, die kaum bis keine Rolle bei unserer Vitamin- und Mineralstoffdeckung spielen. Sie ähneln sich stark in ihrer Herstellung, Zusammensetzung und ihrem Nährstoffgehalt. Hochgelobt werden die meisten Zuckeralternativen dank schlecht designten Studien ihrer Hersteller oder aufgrund von Missverständnissen. Nachteile bei allen Zuckeralternativen ist der weite Transportweg. So muss der teure Kokosblütenzucker aus Asien hierher transportiert werden. Weißer Zuckerrübenzucker wird stattdessen regional hergestellt. Es gilt also: Zucker und Zuckeralternativen in Maßen konsumieren. Sie sind nicht essenziell für unsere Ernährung und versorgen uns meist nur mit leeren Kalorien. Wer sie aber bewusst konsumiert, hat dadurch nicht unbedingt gesundheitliche Nachteile. Wer möchte, kann Alternativen wie Kokosblütenzucker oder Dattelzucker nutzen. Es gibt aber keinen Grund sie übermäßig zu hypen, vor allem, aufgrund ihres Transportweges, ihres trotzdem niedrigen Nährstoffprofils und ihres vergleichsweise hohen Preises.
Quellen:
Verbraucherzentrale: Kokosblütenzucker: Viele Versprechungen, wenige Beweise
https://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/kokosbluetenzucker-viele-versprechungen-wenige-beweise
Verbraucherzentrale Hamburg – Ist Rohrohrzucker gesünder als normaler Haushaltszucker?
https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/zucker/ist-rohrohrzucker-gesuender-als-normaler-haushaltszucker
University of Sydney: Glycemic Index
Klettverlag – Infoblatt Zuckerherstellung
https://www.klett.de/alias/1010396
Chapter 4 Maple Syrup—Production, Composition, Chemistry, and Sensory Characteristics
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1043452608006049
Glycemic indices of five varieties of dates in healthy and diabetic subjects
https://nutritionj.biomedcentral.com/articles/10.1186/1475-2891-10-59
Comparison Effects of Sucrose and Date Palm Syrup on Somatic Embryogenesis of Date Palm
https://www.researchgate.net/profile/Abdullatif-Alkhateeb/publication/26624841_Comparison_Effects_of_Sucrose_and_Date_Palm_Syrup_on_Somatic_Embryogenesis_of_Date_Palm_Phoenix_dactylifera_L/links/0912f5102f5abde41e000000/Comparison-Effects-of-Sucrose-and-Date-Palm-Syrup-on-Somatic-Embryogenesis-of-Date-Palm-Phoenix-dactylifera-L.pdf
Nina Schneider
Ernährungswissenschaftlerin (B.Sc.), Scienefluencerin, freie Wissenschaftsjournalistin und Gründerin von Pflanzlich Gesund - Evidenzbasiertes Ernährungswissen.