Viele Gesundheits-Influencer tun es, Models schwören darauf und auch die Arbeitskollegin, die erfolgreich 10 kg abgenommen hat, schwärmt davon: Fasten ist in den letzten Jahren immer populärer geworden. Die Gründe für eine Fastenkur sind vielfältig. Um abzunehmen, zu entgiften, aus religiösen/kulturellen Gründen oder um “der Seele etwas Gutes zu tun”.
Unter Fasten verstehen wir den freiwilligen und bewussten Verzicht auf Essen, Trinken und Genussmittel. Fasten wird vor allem im religiösen Kontext praktiziert, z.B. im Christentum, Judentum und Islam. Das Heilfasten dient der Gesunderhaltung des Körpers und existiert seit vielen Jahrhunderten.
Heute werden dem Fasten alle erdenklichen gesundheitlichen Wirkungen zugeschrieben. Fastenkuren, Fastenreisen und Fastenratgeber schießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Ein Blick auf die bekanntesten Fastenmodelle und deren Sinn und Unsinn:
Fastenkuren ohne feste Nahrung:
Das sogenannte Heilfasten geht auf den Arzt Otto Buchinger zurück und soll der Reinigung von “Körper, Geist und Seele” dienen. Nach einer Darmentleerung durch Einläufe und Abführmittel wird 7-10 Tage gefastet. Erlaubt sind nur Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte, Honig, Kräutertees und Wasser.
Die Nahrungsaufnahme darf 500 kcal pro Tag nicht überschreiten. In seriösen Kureinrichtungen wird das Fasten von medizinischem und therapeutischem Fachpersonal begleitet. Ärztlich begleitetes (!) Heilfasten kann sich bei Erkrankungen wie dem Metabolischen Syndrom, psychosomatischen Erkrankungen und chronischen Entzündungen positiv auswirken. [1],[3]
Es fehlt aber an wissenschaftlichen Belegen, dass gesunde Personen – über die positiven Effekte durch den Gewichtsverlust hinaus – vom Heilfasten profitieren. Zur langfristigen Gewichtsreduktion ist das Heilfasten nicht geeignet. Gesunden Menschen wird das Heilfasten deswegen auch gerne als spirituelle Erfahrung verkauft. Hungern, um den Kopf frei zu bekommen? Nun ja. Ganz ohne Risiken ist das Fasten nicht: Es kann unter anderem zu Blutdruckabfall, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, Sehstörungen und Nährstoffmangel kommen. Leber- und Nierenkranke sollten keine Fastenkuren machen, da gerade Leber und Nieren stark gefordert werden. Ebenso nicht geeignet ist das Heilfasten für Schwangere, Stillende, krebserkrankte und essgestörte Personen. [1],[2],[3]
Vorsicht ist geboten, wenn Fastenkuren mit Begriffen wie “Entschlackung”, “Ausleitung von Schlacken und Schadstoffen”, “Detox” und “Entgiftung des Körpers” beworben werden. Eine Reinigung des Körpers von Schadstoffen ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht notwendig. Auffällig ist auch, dass Schlacken und Gifte nie näher beschrieben und erklärt werden. Wie genau sie ausgeschieden werden sollen, ist nicht bekannt. Ein gesunder Körper kann sich selbst „reinigen“, indem er unerwünschte Stoffe über Leber, Nieren, Darm, Haut und Atmung ausscheidet. [3],[4],[5]
Darmsanierung z.B. nach der FX-Mayr-Kur:
Diese spezielle Fastenkur wurde nach dem Militärarzt Franz Xaver Mayr benannt. Nach seiner Überzeugung soll eine Fastenkur, bei der nur leicht verdauliche Speisen wie Milch und Semmeln erlaubt sind, den Darm beruhigen und entgiften. Die Fastenkur soll nicht nur Verdauungsbeschwerden lindern, sondern auch bei Autoimmunerkrankungen, Allergien und vielen anderen körperlichen Leiden helfen. Die versprochenen Wirkungen konnten jedoch in keiner Studie nachgewiesen werden. [6]
Fasten mit Säften:
Beim Saftfasten werden 3 oder mehr Tage lang nur Obst- und Gemüsesäfte sowie klare Gemüsebrühen getrunken. Saftfasten soll beim Abnehmen helfen und den Körper “entgiften”. Auch hier gilt: Eine Entgiftung des Körpers ist nicht notwendig. Außerdem gibt es keine Belege dafür, dass Säfte in irgendeiner Weise “entgiften” können. Die Gefahr des Saftfastens besteht darin, dass zu wenige oder zu einseitige Nährstoffe und zu wenig Ballaststoffe und Eiweiß aufgenommen werden. Fettlösliche Vitamine können bei dieser kohlenhydratbetonten Fastenkur kaum aufgenommen werden. Da die Säfte wenig Energie enthalten, kommt es zu einer vorübergehenden Gewichtsabnahme. [4]
Das Problem der vorübergehenden Gewichtsabnahme
Beim Fasten kommt es zu hormonellen Veränderungen und zu einem verstärkten Abbau von Muskelmasse. Beides senkt den Grundumsatz: Unser Körper benötigt im Ruhezustand weniger Kalorien. Ein niedriger Grundumsatz bedeutet, dass der Körper im Ruhezustand weniger Kalorien benötigt. Die Kilos, die wir vor allem zu Beginn einer Fastenkur verlieren, sind hauptsächlich Wasser und Muskelmasse. Wenn wir nach dem Fasten wieder normal essen, normalisieren sich Grundumsatz und Wasserhaushalt wieder. Nach Beendigung der Saftkur wird das verlorene Gewicht also schnell wieder zugenommen. [15]
Fasten zu bestimmten Zeiten: Intervallfasten
Beim Intervallfasten wird normal gegessen – aber nur zu bestimmten Zeiten. Je nach Methode wird stunden- oder tagelang gefastet, danach darf gegessen werden, worauf man Lust hat. Beliebte Fastenmethoden sind das 5:2-Fasten (5 Tage normal essen, 2 Tage fasten) und das 16:8-Fasten (16 Stunden fasten, alle 8 Stunden essen). Die gesundheitlichen Vorteile des Intervallfastens sind belegt, u. a. Verbesserung des BMI, des Blutdrucks und einer Vielzahl von Blutwerten (z. B. Gesamtcholesterin, Triglyceride, Nüchterninsulin). [5]
Aber: Diese gesundheitlichen Vorteile sind auf die Gewichtsabnahme durch Intervallfasten zurückzuführen. Jede andere Art der Gewichtsabnahme durch Kalorienrestriktion führt zu den gleichen gesundheitlichen Vorteilen. [7],[8],[9]
Für eine langfristige Gewichtsabnahme wird das intermittierende Fasten nicht empfohlen. Für Schwangere, Stillende, Frauen mit Kinderwunsch, Menschen mit Essstörungen und mit Typ-1-Diabetes ist das Intervallfasten nicht geeignet. [10],[11]
Was ist Autophagie?
Wenn man über Intervallfasten spricht, kommt man um den Begriff der Autophagie nicht herum. Viele Fastenbefürworter behaupten: Je länger man fastet, desto mehr Autophagie findet statt und desto besser ist das für die Gesundheit. Die Autophagie sei der Schlüssel zur Gesundheit und nur durch Intervallfasten erreichbar. Ist das wirklich so? Autophagie ist ein Prozess, der im Körper nach einer gewissen Fastenzeit abläuft. Dabei „räumt“ unser Körper seine Zellen auf. Er entsorgt beschädigte Zellbestandteile und nutzt zum Beispiel ungenutzte Proteine zur Energieerzeugung – denn während des Fastens wird dem Körper zu wenig Energie aus der Nahrung zugeführt. Autophagie findet immer dann statt, wenn Energiemangel herrscht – also nicht nur beim Intervallfasten, sondern auch bei kalorienreduzierten Diäten oder beim Sport. Sie ist einer von vielen normalen Prozessen, die tagtäglich in unserem Körper ablaufen. Das Ausmaß der Autophagie hängt nicht von der Dauer des Fastens ab, sondern von der Gesamtenergiebilanz. [12],[13]
Essen, aber nach bestimmten Regeln: Basenfasten
Ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt soll chronische Krankheiten verursachen und Entzündungen fördern. So sollen Akne, Osteoporose und Rheuma durch eine säurelastige Ernährung verursacht werden. Als Heilmethode wird neben der Säure-Basen-Ernährung (die ich hier bereits widerlegt habe) auch das Basenfasten angepriesen. Je nach Methode sollen über einen begrenzten Zeitraum nur “basische” Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Kräuter und Tee verzehrt werden. Ergänzt wird dies durch basische Bäder, basische Peelings, Nahrungsergänzungsmittel, Wanderungen und Leberwickel. Das soll der schädlichen Übersäuerung entgegenwirken, Entzündungsprozesse minimieren und beim Abnehmen helfen.
Und ja: Eine solche fett- und kohlenhydratarme Diät führt zu einer vorübergehenden Gewichtsabnahme. Das liegt aber nicht an den Entgiftungsprozessen, sondern an der kalorienarmen Ernährung und an mehr Bewegung. Unser Körper kann auch nicht “übersäuern”: Durch bestimmte Puffersysteme wird der pH-Wert im Blut konstant gehalten. Überschüssige saure und basische Stoffe werden über den Urin ausgeschieden. Dazu braucht es weder Basenbäder noch basische Lebensmittel oder basenfördernde Nahrungsergänzungsmittel. [14]
Quellen:
[1] https://www.gesundheit.gv.at/leben/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/detox.html#kann-sich-fasten-positiv-auf-die-gesundheit-auswirken
[2] Wilhelmi de Toledo, F., et al.(2013): Fasting Therapy – an Expert Panel Update of the 2002 Consensus Guidelines. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde / Research in Complementary and Classical Natural Medicine 1 December 2013; 20 (6): 434–443. https://doi.org/10.1159/000357602
[3] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Heilfasten, Basenfasten, Intervallfasten – ein Überblick. DGEinfo (2/2018), S. 18–25.
[4] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Entgiftungsdiäten, Schlank im Schlaf-Diät, HCG-Diät – ein Überblick. DGEinfo (3/2018) 39-45
[5] Patikorn, C. et al. (2021): Intermittent Fasting and Obesity-Related Health Outcomes: An Umbrella Review of Meta-analyses of Randomized Clinical Trials. JAMA network open, 4(12), e2139558. PMID: 34919135
[6] https://medizin-transparent.at/fx-mayr/
[7] Gu, L., et al. (2022): Effects of Intermittent Fasting in Human Compared to a Non-intervention Diet and Caloric Restriction: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Frontiers in nutrition, 9, 871682. PMID: 35586738
[8] Allaf, M., et al. (2021): Intermittent fasting for the prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 1. Art. No.: CD013496.
[9] https://www.ernaehrungs-umschau.de/news/22-01-2019-kein-vorteil-gegenueber-herkoemmlicher-reduktionskost/
[10] https://www.ernaehrungs-umschau.de/news/27-02-2018-fasten-eignet-sich-nicht-als-diaet/
[11] https://www.ernaehrungs-umschau.de/news/27-01-2021-wissenswertes-ueber-das-intervallfasten/
[12] Bagherniya, M., et al. (2018): The effect of fasting or calorie restriction on autophagy induction: A review of the literature. Ageing research reviews, 47, 183–197. PMID: 30172870
[13] Chung, K. W., & Chung, H. Y. (2019): The Effects of Calorie Restriction on Autophagy: Role on Aging Intervention. Nutrients, 11(12), 2923. PMID: 31810345
[14] https://medizin-transparent.at/basenfasten-die-kur-fur-ihre-geldborse/
[15] Biesalski, H.-K; Bischoff, S. C; Pirlich, M.; et al. (2018): Ernährungsmedizin. 5. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
Nina Schneider
Ernährungswissenschaftlerin (B.Sc.), Scienefluencerin, freie Wissenschaftsjournalistin und Gründerin von Pflanzlich Gesund - Evidenzbasiertes Ernährungswissen.