Von der Berufsbezeichnung Ernährungsberaterin möchten sich die meisten gelernten Ernährungsfachkräfte möglichst weit distanzieren. Dass der Beruf nicht geschützt ist, wissen die wenigsten Kundinnen.
Was sind denn eigentlich die wichtigsten Unterschiede zwischen Ernährungsfachkräften und Ernährungsberaterinnen? Und wie erkennen Kundinnen eine seriöse Ernährungsberaterin?
(In diesem Blogbeitrag wird das generische Femininum genutzt, um das Lesen zu vereinfachen.)
Eine Ernährungsfachkraft…
… ist entweder studiert (Ernährungswissenschaftlerin, Ökotrophologin) und hat meist einen Bachelor oder Master of Science / Arts Abschluss.
… oder hat eine Ausbildung abgeschlossen (Diätassistentin).
Ernährungsfachkräfte werden mindestens 3 Jahre lang im Bereich Ernährung und Gesundheit ausgebildet. Das entspricht etwa 4500 h Ausbildungszeit in einer beruflichen Ausbildung oder 5500 h in einem Bachelorstudium. Abgeschlossen wird die Ausbildung bzw. das Studium mit einer staatlichen Prüfung.
Berufsbezeichnungen wie Ernährungswissenschaftlerin, Ökotrophologin und Diätassistentin sind geschützt und reglementiert. Nennen dürfen sich so nur Personen, die die entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben.
Nach der Ausbildung dürfen Fachkräfte sogenannte Zertifikatslehrgänge bei Berufsverbänden und Fachgesellschaften abschließen und sich dementsprechend dann Ernährungsberater/DGE oder /VDOE, /VDD, /VDOe, /VFED, /QUETHEB nennen.
Diese Zertifikatslehrgänge sind, neben der abgeschlossenen Ausbildung, das wichtigste Qualitätsmerkmal für fachlich korrekte Inhalte in Ernährungsberatungen. Alle 3 Jahre müssen sich Fachkräfte nachzertifizieren lassen. Dafür sind kontinuierliche und dokumentierte Weiterbildungen erforderlich, welche meist kostenpflichtig sind.
Mit einem Zertifikat ist dann auch die Abrechnung mit den gesetzl. Krankenkassen erlaubt. Wer als Kundin also eine ärztliche Empfehlung für eine Ernährungsberatung erhält, die die Krankenkasse bezuschusst, bekommt eine Beratung von einer zertifizierten Fachkraft.
Eine Ernährungsfachkraft darf sowohl präventiv (bei gesunden Kundinnen), als auch therapeutisch tätig werden. Letzteres nur nach ärztlichem Auftrag und nur unter bestimmten Voraussetzungen (siehe Heilmittel-Richtlinie).
Eine Ernährungsberaterin (oder Ernährungscoach)…
… ist entweder gar nicht ausgebildet oder hat einen Kurs/Lehrgang abgeschlossen. Je nach Anbieter umfasst dieser wenige Tage, 3 bis 5 Monate oder maximal 500 h Ausbildungszeit.
Ernährungsberaterin ist eine gesetzlich nicht geschützte Berufsbezeichnung. Das bedeutet, die Person muss keinen Kurs belegt haben und auch kein Zertifikat vorweisen, um sich Ernährungsberaterin nennen zu dürfen.
Ernährungsberaterinnen dürfen nur präventiv bei gesunden Kundinnen tätig werden. Das bedeutet, sie dürfen keine krankheitsbezogenen Aussagen machen und keine Ernährungstipps zur Verbesserung von Erkrankungen geben.
So kann die Bezeichnung Ernährungsberaterin erworben werden:
- Die Person nennt sich selbst so.
- Jemand anders nennt die Person so.
- Die Person macht einen Präsenzkurs/Lehrgang/Seminar. Diese werden manchmal von Fachpersonen angeboten, das ist aber kein Muss.
- Die Person macht einen Fernlehrgang, Fernkurs/Onlinekurs oder ein Fernstudium (kein akademischer Grad). Die Kosten können sich zwischen wenigen Hundert und mehreren Tausend Euro bewegen.
Es handelt sich bei (Online-)Kursen um keine Weiterbildung/Fortbildung, denn dafür wäre ein Beruf notwendig, in dem man seine Handlungsfähigkeit fachspezifisch erweitern möchte. Es handelt sich vielmehr um eine Wissensvermittlung für eine unspezifische Zielgruppe ohne Vorkenntnisse. Im Vordergrund der Kurse stehen immer Verkaufsinteressen.
Die Stiftung Warentest sagte im Rahmen eines Tests mehrerer Ernährungsberatungskurse: „Kein einziger Kurs im Test vermittelte die nötigen Kenntnisse. Weder gibt es einen Konsens unter den Anbietern, was unter gesunder Ernährung zu verstehen ist, noch vermitteln sie ein realistisches Bild von fachlichen und rechtlichen Grenzen des Jobs.“
(Online-)Kurse locken ihre Kundinnen mit Gütesiegeln, Förderungsmaßnahmen und Auszeichnungen, um die Qualität ihres Kurses hervorzuheben. Dabei kann keines der Siegel und auch keine Auszeichnung fachlich korrekte Inhalte garantieren.
Das Siegel Staatl. geprüft/zugelassen: Sämtliche Fernlehrgänge müssen laut FernUST erst zugelassen werden. Die Auszeichnung bezieht sich nicht auf einen anerkannten Berufsabschluss. Geprüft werden also nicht die Inhalte, sondern ob durch die Inhalte die Ziele des Lehrgangs erreicht wurden. Der Anbieter legt die Ziele selbst fest.
Das TÜV-Süd Prüfzeichen: Dieses bezieht sich nicht auf die Inhalte, sondern auf den Umgang mit den Kunden(-beschwerden) und der Servicequalität des Anbieters.
Das Siegel des Fernstudium Checks: Hier bewerten Absolventen den Lehrgang nach ihren eigenen subjektiven Ansichten. Bei guten Bewertungen bekommt ein Kurs die Auszeichnung.
Es lässt sich also nicht feststellen, ob der Kurs fundierte Inhalte vermittelt. Außerdem umfasst jeder Kurs andere Inhalte. Diese sind stark abhängig vom Anbieter/Kursleiter. Es gibt keine einzige Zertifizierung, die die Inhalte der privaten Kurse zertifizieren kann. Da der Lernende vor der Kursbuchung oft keine Einblicke in die Inhalte hat, kann keine Bewertung der Inhalte stattfinden. Wobei der Lernende als Laie sowieso nicht selbst einschätzen kann, ob die Inhalte valide sind. Was wäre eine mögliche Lösung? Fachgesellschaften könnten geprüfte Kurse für Laien anbieten. Dort könnten die Grundlagen vermittelt werden. Der Lernende hat die Sicherheit, dass der Kurs fundierte Inhalte vermittelt.
Da der Begriff nicht geregelt ist, die Kursinhalte so heterogen sind und Kurse max. 500 h umfassen, kann man als Kundin nicht davon ausgehen, dass es sich um eine qualifizierte und fundierte Beratung handelt. Es fehlt in den Kursen generell die fachliche Tiefe. Die max. 500 h Unterricht in einem Ernährungsberatungskurs stehen den 4500+ h in Studium/Ausbildung gegenüber.
Wie erkenne ich eine seriöse Ernährungsberaterin?
Aus Qualitätssicherungsgründen und für den Verbraucherschutz wurden die Zertifikate von DGE & div. Berufsverbänden eingeführt. Berufsverbände, Fachgesellschaften und Krankenkassen sollten also der erste Ansprechpartner sein, um qualifizierte Fachpersonen ausfindig zu machen.
Jedem, auch fachfremden/-verwandten Akademikern steht es frei, sich in Ernährung zu bilden. Da Akademiker in den meisten Fällen eine wissenschaftl. Grundausbildung bekommen haben, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich ihr Wissen fundiert aneignen können. (Aber trotzdem ist dies nicht garantiert. “Studiert“ sein ist nicht immer ein Qualitätsmerkmal). Es entscheidet letztendlich die Kundin selbst, ob sie das Vertrauen aufbringen möchte oder nicht.
Ernährungsberatungskurs – Ja oder Nein?
Auch wenn das Thema Ernährung für einige überschaubar erscheint und mit einem 500 h Kurs scheinbar abgespeist werden kann, ist das so nicht richtig. Ernährung ist sehr komplex, und die mind. 4500 h Praktikum und Berufserfahrung mehr als nötig, um wirklich hochwertige Beratungen zu geben. Meiner Meinung nach könnte man mit einem „guten“ Kurs Grundlagen erwerben und kleine Ernährungstipps an Verwandte/Bekannte/Freunde geben. Trotzdem ist immer auch eigenverantwortlich weitere Recherche nötig, um die Komplexität des Themas in Gänze zu verstehen und sich seinen eigenen Grenzen bewusst zu werden. Leider wissen die Wenigsten, wie richtige Recherche funktioniert.
Wer sich wirklich für Ernährung interessiert, gerne Menschen kompetent weiterhelfen und eine sichere Ausbildung erhalten möchte, sollte ein Studium oder eine Ausbildung in Betracht ziehen. Solange es kein Qualitätsmerkmal für private Kurse gibt, sollte man sich auch sehr gut überlegen, ob man so viel Geld dafür ausgeben möchte.
Nina Schneider
Ernährungswissenschaftlerin (B.Sc.), Scienefluencerin, freie Wissenschaftsjournalistin und Gründerin von Pflanzlich Gesund - Evidenzbasiertes Ernährungswissen.