Welchen Expert:innen kannst du trauen? So erkennst du seriöse Stimmen auf Social Media.
In sozialen Netzwerken, Podcasts und Ratgebern begegnen uns Empfehlungen zu Ernährung, Gesundheit und Lebensstil fast überall. Dabei treten sowohl anerkannte Fachleute als auch selbsternannte „Expert:innen“ mit überzeugender Rhetorik auf. Doch wie lässt sich unterscheiden, wem man wirklich vertrauen kann?
Dieser Beitrag liefert vier zentrale Kriterien, die helfen, verlässliche wissenschaftliche Aussagen von unbegründetem Halbwissen zu unterscheiden und stärkt dein kritisches Urteilsvermögen.
1. Qualifikation ist ein guter Startpunkt, aber keine Garantie
Ein abgeschlossenes Studium in Ernährungswissenschaft, Medizin, Biologie oder einem verwandten Fachbereich ist grundsätzlich ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass eine fundierte Ausbildung vorliegt. Aber eine akademische Qualifikation allein reicht nicht aus, um die Qualität der Aussagen zu beurteilen.
Denn:
- Auch promovierte Fachleute können ideologisch geprägt oder wirtschaftlich motiviert sein.
- Wissen veraltet: Wer nicht bereit ist, sich kontinuierlich weiterzubilden, bleibt auf einem veralteten Erkenntnisstand stehen.

- Niemand ist Expert:in für alles. Ein Abschluss in Medizin bedeutet nicht automatisch Fachkompetenz in Ernährungspsychologie oder Mikrobiomforschung.
Achte daher auf folgende Anzeichen:
- Wird transparent gemacht, in welchem Themenbereich die Expertise liegt?
- Werden bei fachfremden Fragen andere Expert:innen zitiert oder empfohlen?
- Wird offengelegt, wo die Grenzen des eigenen Wissens liegen?
2. Vertrauenswürdige Fachleute sprechen differenziert, nicht dogmatisch
Radikale Aussagen wie „Gluten ist Gift“ oder „Nur Vegan ist gesund“ klingen zugespitzt und einprägsam, aber selten sind sie wissenschaftlich haltbar.
Ernährung und Gesundheit sind komplexe, individuelle Themen. Pauschalurteile werden dieser Komplexität nicht gerecht.
Beispiel: Gluten ist vor allem für Menschen mit Zöliakie problematisch. Für den Großteil der Bevölkerung stellt es jedoch kein gesundheitliches Risiko dar. Trotzdem wird es in manchen Kreisen pauschal verteufelt, oft aus kommerziellen oder ideologischen Gründen.
Woran du seriöse Expert:innen erkennst:
- Sie differenzieren statt zu dramatisieren.
- Sie stellen Zusammenhänge her, ohne zu vereinfachen.
- Sie räumen ein, wenn bestimmte Empfehlungen nicht für alle gelten.
Gute Fachleute sagen Dinge wie:
„In bestimmten Fällen kann eine glutenfreie Ernährung sinnvoll sein, aber sie ist nicht pauschal gesünder.“ oder „Die Evidenz spricht für eine mögliche Wirkung, aber weitere Studien sind notwendig.“
3. Wissenschaft ist ein Prozess, kein Dogma
Wissenschaft basiert nicht auf unumstößlichen Wahrheiten, sondern auf überprüfbaren Hypothesen, kritischer Reflexion und ständiger Weiterentwicklung. Besonders in dynamischen Feldern wie der Ernährungswissenschaft ändern sich Erkenntnisse mit neuen Studien. Das ist kein Zeichen von Unsicherheit, sondern von Qualität.
Glaubwürdige Fachpersonen:
- Benennen Unsicherheiten offen.
- Erklären, wie Studien einzuordnen sind.
- Widersprechen aktuellen Trends, wenn die Datenlage es erfordert.
Ein Satz wie „Dazu gibt es derzeit noch keine eindeutige Studienlage“ zeigt kein Unwissen sondern wissenschaftliche Redlichkeit.
Vorsicht ist hingegen geboten, wenn jemand stets mit absoluter Sicherheit spricht oder behauptet, „die Wahrheit“ exklusiv zu kennen.
4. Niemand ist Expert:in für alles und das ist auch gut so
In einer zunehmend komplexen Welt kann seriöse Wissensvermittlung nur interdisziplinär funktionieren. Deshalb ist es ein Warnsignal, wenn sich Personen zu völlig unterschiedlichen Fachthemen äußern.
Ein:e kompetente:r Ernährungsberater:in mag sich hervorragend mit Stoffwechselprozessen auskennen, ist aber deshalb noch keine Autorität in der Impfstoffentwicklung oder Entwicklungspsychologie.
Wer hingegen seine fachlichen Grenzen klar benennt und bereit ist, bei Bedarf andere Perspektiven einzubeziehen, verdient Vertrauen.
Verlässliche Expert:innen:
- Äußern sich nur zu Themen, in denen sie kompetent sind.
- Verweisen auf andere Fachbereiche, wenn nötig.
- Behalten einen respektvollen und transparenten Umgang mit unterschiedlichen Meinungen.
Fazit: So erkennst du vertrauenswürdige Expert:innen
Verlässliche Expert:innen…
- verfügen über eine fundierte, überprüfbare Qualifikation,
- kommunizieren differenziert und vermeiden pauschale Aussagen,
- erkennen wissenschaftliche Unsicherheiten an und benennen sie offen,
- kennen ihre eigenen fachlichen Grenzen und respektieren die anderer.
Wissenschaft ist keine Glaubensfrage, sondern ein methodischer Weg, um unser Wissen beständig zu erweitern.
Vertrauen verdient nicht, wer lautstark einfache Antworten liefert, sondern wer bereit ist, sich mit der Komplexität auseinanderzusetzen.
Nina Schneider
Ernährungswissenschaftlerin (B.Sc.), Scienefluencerin, freie Wissenschaftsjournalistin und Gründerin von Pflanzlich Gesund - Evidenzbasiertes Ernährungswissen.